Ist es normal, dass wir immer mal wieder traurig sind?
Ich möchte heute über ein Thema sprechen, das mich gerade in letzter Zeit oft beschäftigt hat und genau deswegen ist es mir wichtig, das Ganze zu thematisieren und dir an dieser Stelle ein paar Gedanken mitzugeben. Ich habe schon öfter folgenden Satz gehört: Jackie, du scheinst irgendwie immer gut drauf zu sein und bist immer am Lächeln. Das kann doch gar nicht sein. Wir alle haben doch unsere miesen Tage, an denen es uns nicht gut geht. Zeigst du die nur nicht vor der Kamera?
Ich werde auf diese Frage in diesem Artikel intensiv eingehen, doch dafür muss ich erst mal ein wenig ausholen…
Wenn wir uns heute Instagram angucken, dann habe ich das Gefühl, dass Instagram eine Wendung nimmt, die ich unfassbar gut finde und sehr froh darüber bin. Man hat das Gefühl, dass Instagram ehrlicher wird. Man sieht endlich mal die Realität und nicht nur perfekte Frauen und Männer. Frauen beginnen, zu ihren Dehnungsstreifen und der nicht perfekten Figur zu stehen und man sieht Bilder, auf denen eine Person weint. Und ich finde diese Entwicklung unfassbar gut doch finde ich es wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass einige Akzeptanzen dafür sorgen, dass wir Ausreden dafür finden, uns nicht mit den tieferen Ursachen zu beschäftigen und stattdessen uns die „Brille der Akzeptanz“ aufsetzen.
Was meine ich damit?
Ich bin immer häufiger auf mehrere Profile stark übergewichtiger Frauen gestoßen, die genau dazu aufrufen: AKZEPTANZ und den eigenen Körper zu lieben. Ich finde diese Profile gut, denn sie rufen dazu auf, dass wir nicht perfekt sein müssen, und das ist unglaublich wichtig und soso wertvoll! ABER
Schauen wir uns das ganze doch mal ein bisschen näher an:
Wieso ist Lisa (ich nenne sie jetzt einfach mal so) überhaupt so stark übergewichtig? Wenn du meine Podcasts, Blogs und mein Instagram Profil schon länger verfolgst, dann kennst du meine Meinung dazu, dass jegliche Form des gestörten Essverhaltes ein Ausdruck anderer und tieferer Themen ist. Und ich möchte an dieser Stelle nochmal betonen und das ist mir wirklich wichtig, dass nicht nur die Frauen, die hungern, sondern auch die Frauen, die maßlos Essen benötigen, an einer Essstörung leiden – also einem gestörten Verhältnis zum Essen.
Wieso also braucht Lisa so viel Essen, dass sie so stark übergewichtig ist? Das wäre die viel wichtigere Frage an dieser Stelle, anstatt zu versuchen, den Ausdruck dieses Themas einfach zu akzeptieren. Denn so kann die versuchte Akzeptanz zu einer Schutzstrategie werden um sich nicht mit den tieferen Themen, die dahinter liegen, zu beschäftigen. Natürlich ist der Versuch „Akzeptanz“ aufzubauen heilender als die Verurteilung und der Selbsthass doch trifft dieser Ansatz trotzdem nicht den Kern des Problems, weswegen ich auch dieser Entwicklung etwas kritisch gegenüber blicke.
Akzeptanz ist leichter als sich mit den Themen dahinter zu beschäftigen
Warum braucht Lisa als so sehr dieses Essen? Wieso isst Lisa, wenn sie keinen körperlichen Hunger hat und das scheinbar oft oder im starken Übermaß? Nach was verlangt ihre Seele eigentlich und wieso muss sie eine Leere in sich füllen, für die sie das Essen benötigt?
Neben dem seelischen Aspekt möchte ich an dieser Stelle auch nochmal den gesundheitlichen Aspekt ansprechen. Denn natürlich ist dieser Ansatz nicht sehr gesund und wir wissen, wie schädlich Viszeralfett ist und, dass es für viele Krankheiten verantwortlich ist. Aber auch da wird Lisa wahrscheinlich wissen, dass sie sich besser, fitter und gesünder fühlen würde, wenn sie sich anders ernähren würde. Der Punkt ist, dass das wahrscheinlich nicht möglich sein wird, da Essen schon eine ganz andere Bedeutung gewonnen hat, als ihren Körper zu versorgen. Dass ich hier Krankheiten ausschließe, die zu Übergewicht führen, sollte hier hoffentlich klar sein.
Essen ist also irgendwann oder vielleicht auch schon immer, zu Lisas Möglichkeit geworden, sich glücklich zu fühlen. Das ist auch der Grund, warum sie einfach nicht davon wegkommt, Essen zur Kompensation zu benötigen. Da ist der Schritt, das ganze einfach zu akzeptieren und dazu aufzurufen, dass jede Frau schön ist, der einfachere und beste Weg, irgendwie damit umzugehen.
Ich möchte hier nochmal betonen, dass es hier überhaupt nicht um ein Schönheitsideal geht, sondern rein um die Frage des „WARUM?“ dahinter.
Auch unsere negative Gefühlslage sollte man nicht einfach so akzeptieren
Ähnlich betrachte ich an dieser Stelle die Fotos von Lisa, auf denen sie weint und dazu aufruft, dass diese Gefühle normal sind und es uns allen mal schlecht geht. Wenn ich an früher zurückdenke, hatte ich sehr sehr dunkle Tage und viele depressive Phasen. Ich kann mich noch so gut in das Gefühl hineinversetzen, wenn man morgens aufwacht und eigentlich nur liegen bleiben will, wenn man traurig ist, ohne zu wissen, wieso. Wenn eine kleine Sache nur passieren muss und man in ein tiefes, schwarzes Loch fällt, aus das man nicht mehr so schnell rauskommt.
Es gab bei mir früher sehr oft nur schwarz oder weiß. Dabei war weiß nicht so leuchtend, wie ich es mir vielleicht gewünscht hätte, dafür aber war schwarz sehr schwarz. Wenn ich wieder mal in dieses schwarze Loch gefallen bin, hat nichts mehr so richtig Sinn gemacht. Ich habe begonnen alles anzuzweifeln, mein Leben, alle Mitmenschen und, vor allem mich. Ich habe eine große Leere gefühlt, die zur absoluten Sinnlosigkeit überging. Das hat wiederum dafür gesorgt, dass ich mich zu nichts mehr richtig aufraffen konnte. Dieses schwarze Loch konnte sich dann noch weiter zu einer depressiven Phase ausbreiten, die mal einen Tag, mal mehrere Tage oder auch mal Wochen anhielt, bis wieder der erste weiße Fleck kam.
Ich weiß, was all das bedeutet und verstehe Lisas Posting und der Aufruf, dass es okay ist, traurig zu sein. Da wir in einer Gesellschaft leben, in der sehr viele Menschen mit einem emotionalen Loch und Traurigkeit herumlaufen, kann ich auch verstehen, wieso dieser Post so viel Anklang findet.
Doch ist das normal?
Meine depressiven Phasen kann ich alten, unaufgearbeiteten Seelenwunden und einem starken Entwicklungstrauma zuschreiben, indem meine innere Welt eher dunkel statt hell war. Außerdem weiß ich, dass auch mein System oft in eine Art Überlebensmodus der Erstarrung geflüchtet ist und all die Themen zu einem sehr sehr kleinem Selbstwert mit sehr wenig Selbstvertrauen geführt hat. In dieser Zeit war ich komplett von meiner äußeren Umwelt abhängig, weswegen dort die kleinsten Veränderungen oder Zurückweisungen dazu geführt haben, dass ich innerlich meinen kompletten Halt verlor und sehr tief fiel.
Abgesehen von den starken depressiven Phasen, hatte ich sehr sehr viele Triggerpunkte, die man nur leicht berühren musste, weswegen starke Zweifel in mir aufkamen, die wiederum zu einer tiefen Traurigkeit führten. Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich sehr hart war und kaum was gefühlt habe und es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich sehr viel geweint habe und hier bin ich voll und ganz bei Lisa. Die Zeiten, in denen ich viel geweint habe, waren so viel besser als die Zeiten, in denen ich in die komplette Abgrenzung meiner Gefühle gegangen bin, um mich zu schützen.
Doch ist das alles normal?
Aus meiner heutigen Sicht kann ich ganz klar NEIN sagen.
Warum es so wichtig ist, mit seinen Emotionen zu arbeiten
Ich kenne beide Seiten sehr gut. Ich kenne den so dichten und schwarzen Wald, aber ich kenne auch die helle Seite, auf der die Sonne scheint. Ich habe sehr sehr viel Zeit in dem dunklen Wald verbracht und dort sehr viel mit allen Gefahren und Gefühlen gearbeitet. Und es war in dieser Zeit so unfassbar wichtig, dass ich aufhöre, Gefühle zu verdrängen und sie stattdessen zulasse. Es war so wichtig, dass ich sie komplett auslebe und komplett da sein lasse. Jede einzelne Emotion. Von Wut, bis hin zu Traurig und Angst. Ich habe sehr viel mit meinen emotionalen Verwundungen gearbeitet und konnte deswegen hinter dem so dunklen und dichtem Wald auch einen Punkt erreichen, an dem meine innere Welt wieder hell wurde.
In dieser Welt gibt es die tiefen schwarzen Löcher nicht mehr. Ich erachte es heute nicht mehr als normal, Tage zu haben, an denen wir einfach traurig, sauer oder schlecht drauf sind und bin unendlich dankbar dafür, dass das auch nicht mehr der Fall ist. Natürlich habe ich Punkte, mit denen ich arbeiten muss, bei denen Gefühle hochkommen oder ich mal getriggert werde. Doch falle ich dabei nicht mehr in die schwarzen Löcher, weil ich gelernt habe, wie ich mich emotional begleite und trotzdem die Gefühle da sein lasse.
Durch den Perspektivenwechsel und die Beobachterposition auf meine verletzten Anteile erkenne ich, wenn alte Seelenwunden aktiv werden und kann mit viel mehr Distanz und gleichzeitiger tiefer Annahme auf diese Themen blicken. Natürlich gibt es Situationen, die uns traurig machen, wenn es einem geliebten Menschen nicht gut geht, wir eine Trennung oder einen Verlust oder ähnliches erleben. Es ist unglaublich wichtig, all diese Gefühle da sein zu lassen, doch einfache Traurigkeit, weil „heute ein schlechter Tag“ ist, empfinde ich heute nicht mehr als normal.
Unsere Emotionen haben immer einen Ursprung
Natürlich gibt es Tage, an denen ich mich mal beruflich überfordert fühle und ich Bauchschmerzen oder andere Beschwerden habe. Jedoch ist es ein großer Unterschied, ob wir verstehen, was mit uns los ist und wieso wir uns heute nicht so energetisch fühlen wie gestern, oder ob wir einfach traurig sind. Jedoch ist es in der Phase der Aufarbeitung unabdingbar, dass wir all diesen Gefühlen Raum geben. Auch nach dieser Zeit ist es wichtig, unsere Gefühle zu beobachten und zu erkennen, wenn wir getriggert werden. Deswegen finde ich Lisas Aufruf sehr gut. Jedoch denke ich, dass man diesen Zustand nicht als „normal“ betrachten sollte: Denn hiermit geht man nur der eigenen, tiefen Entwicklung und dem Bewusstsein dafür aus dem Weg, was wirklich in unserem Inneren los ist und wieso wir traurig sind.
Denn Traurigkeit, Wut oder Frustration haben immer einen Ursprung und sind nur der Ausdruck von Themen, die gehört werden wollen. Akzeptanz als neue Schutzstrategie sollte daher etwas tiefer unter die Lupe genommen werden, wenn wir uns wirklich auf einer tiefen Ebene begegnen wollen. Ich hoffe ich konnte dir mit diesem Artikel nochmal eine gedankliche Anregung geben. Auch hoffe ich, dass du vielleicht nochmal etwas mehr Klarheit über deine emotionale Innenwelt und der Ausdruck der Themen, die in dir schlummern, hast.
Ich wünsche dir nur das Beste und schicke dir ganz viel Kraft.
Melde dich gerne jederzeit bei mir, falls du Fragen hast!
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